Montag, 10. Juni 2013

Die Vorzüge des Nicht-Hörens und der Fluch des Nicht-Hören-Wollens

"Boah - sei froh, dass du das nicht hörst!"
"Ich konnte nicht schlafen - die ganze Nacht hat jemand geschnarcht..."
"Der PC rauscht voll laut - wie gut, dass ich hier nicht arbeiten muss."
"... es ist 13 Uhr! Rasenmähen kann man wieder um 15 Uhr!!"

Tja, meine lieben Andershörer - so ist das eben, wenn man die Gabe besitzt, seine Ohren abzunehmen, und dann in der Stille zu stehen.
Naja, so ganz ist es bei mir ja nicht. Wenn ich meine Hörgeräte nicht drin habe, dann klingt alles für mich ganz hoch - und ein gutes Stückchen leiser. Nur, wenn ich mein rechtes Ohr zuhalte, stehe ich völlig in der Stille. Wenn ich schlafen will ist das unglaublich praktisch - ich schließe alle Geräusche auf einmal aus, wenn ich mich passend hinlege.
Wenn ich dann mal bei meiner Besten in der größten Stadt Deutschlands (;P) übernachte, dann ist es jetzt schon ein paar Mal vorgekommen, dass sie von ihrem Hochbett, welches sie Platzsparenderpraktischerweise hat, klettern musste, weil sie mir noch etwas erzählen wollte und ich auf alles rufen, wackeln und mit dem Handyanleuchten nicht reagiert habe. Immerhin hat sie dann immer noch gegrinst und ich war ganz irritiert.
Vielleicht klettert sie mittlerweile auch direkt runter und versucht erst gar nicht, mich ohne Megafon zu wecken (würde den Nachbarn sicherlich gefallen). Vielleicht besorgt sie sich ja bald mal so einen Stock, um mich anzustupsen (bitte nicht! Ich würde ihn dir wegnehmen, und darauf schlafen, damit du mich nicht wachstupst!)

Es ist super nervig kein Radio richtig hören zu können, oder Musik als etwas ganz nebensächliches wahrnzunehmen, aber ich kann nur jeden raten, der hin und wieder oder immer wieder oder grundsätzlich nicht gut hört oder gar nicht hört, genau das mal zu umarmen und zu genießen.
Ehrlich - eigentlich nerven mich hin und wieder die Vögel draußen, vor Allem, wenn das Wetter so schön ist und ich wirklich meine Ruhe haben möchte. Mit ein Zusätzlichem Kopfkissen fürs linke Ohr sind diese Probleme beseitigt und ich kann ganz im Stillen in der Sonne liegen um dann Abends meine Dummheit zu beklagen, weil ich einen Sonnenbrand bekommen habe.
Autsch.

Man sagte mir auch, dass der Lüfter unseres neuen aufgepimpten PC's superlaut ist. Ein ständiges sssssssch. Jaaa, da ist etwas, aber das ist leise, mich stört das nicht im Geringsten.
Und Telefonieren tue ich immer nur ganz exklusiv mit dem oder der am anderen Ende, weil ich das andere Ohr nicht benutze um andere Gespräche zu führen.
Ha! Hat aber auch das Problem, dass ich den Hörer runter nehme um mich nicht dieser Multitaskingfähigkeit berauben zu lassen - obwohl ich sie nicht habe und der ein oder andere hat mir dann auch schon mal durchs Telefon zugepfiffen: "Hä?! Was hat das denn damit jetzt zu tun?! Redest du gerade mit jemand anderem?!"
*pfeif* schlechte Angewohnheiten hat ja wohl jeder!

Eine ganz große schlechte Angewohnheit die ich ich habe, ist, dass ich es manchmal auch ausnutze, dass ich nicht gut höre und es manchmal in Situationen, wo es mir vom Nutzen ist, auch so darstelle, als würde ich gar nichts hören.
Keine Sorge, liebe Freunde, es geht nicht darum, wie ich mit euch umgehe oder sowas, oder auch in der Uni, sondern es geht um die Prospektverteiler und Andertürklingler, die dann etwas von einem wollen, was man sowieso nicht so gaaaanz versteht, weil man es schon nicht hört. Und dann kann man ganz leicht schnell gebärden: "Tut mir Leid, ich bin gehörlos" und dann peinlichberührt lächeln, weil ein Hörender den Fehler gemacht hat, einen in der Stille anzusprechen.
Wenn ich auf den Markt gehe, dann benutze ich das aber ganz automatisch als Entschudligung, nicht für jeden Marktschreier, der mir etwas andrehen will eine Rechtfertigung auszudenken, warum ich nein sage.
Es will sich doch niemand die Mühe extra machen, zu versuchen, sich mit mir zu unterhalten! Neeein,d as machen sie nicht, die Hörenden. Sie schauen schockiert, lächeln befangen und suchen sich ganz schnell ein Opfer, welches keine so gute Ausrede hat!
Tja... und dann gibt es da die Leute, die es doch tun. Es zu versuchen. Wirklich, tut es, meine lieben guthörenden Andershörer! Eine wunderschöne Situation hatte ich neulich.

Hin und wieder klingeln bei uns die Zeugen Jehovas. Ich bin jemand, der sich gerne unterhält, gerade auf Gebieten, auf denen ich fit bin - da ist ja evangelische Religionslehre studiere bin ich fit im Thema. Aber hin und wieder mag ich es eben dann doch nicht - vor Allem, wenn ich gerade eigentlich etwas ganz anderes mache.
Es klingelte also, als ich gerade an der Nähmaschine saß und etwas sehr kompliziertes zusammenbringen wollte, was einfach nicht zusammengehen wollte! Schon halb genervt von dieser Arbeit klingelte es auch noch. Ich stand also auf, gefrustet ließ ich alles liegen, so, dass ich es gleich noch mal von Vorne machen konnte und mache die Tür auf.
Und da stehen sie dann - zwei ältere Herren, die den Anschein nach irgendwie auch etwas mit der Uni zu tun haben könnten. Diese Zwei hatte ich noch nicht gesehen, naja, mal schauen, was sie wollen. Ich lasse sie rein, vielleicht kommen sie ja von der Uni?
Ich lächele freundlich, grüße guten Tag und lege fragend den Kopf schief und die beiden fragen mich, ob ich polnisch spreche.
Da weiß ich es dann; normalerweise höre ich mir dann auch an, was es zu sagen gibt, rede ein bisschen, argumentiere ein wenig, habe meinen Standpunkt und dann gehen alle wieder getrennte Wege und jeder ist sich sicher, dass er den jeweils anderen nicht missioniert bekommt.
Da ich schon häufiger solche an meiner Tür hatte war ich auch ganz verblüfft, dass ich dieses Pärchen noch nicht kannte - es erwischte mich aber Eiskalt.
Und schneller als ich wusste, was ich tat, hoben sich meine Hände zum "Entschuldigung, ich höre Sie nicht."
Verblüffte Gesichter.
Und nun kommt das, was jeden Gehörlosen freuen würde.
Sie holten einen Block heraus und schrieben ihre Fragen und Antworten auf, versuchten langsam und deutlich zu sprechen und fragten mich total neugierig über meine Beeinträchtigung aus.
Mit (entschuldigung an alle meinen lieben schlechthörenden Andershörer) etwas nuscheliger Stimme , Gebärden und meinen eigenen liebenswerten Grammatikfehlern (ich habs nicht so mit dem, den, einen und einem ;) ), habe ich also doch meine Argumente heraus bekommen, die ich ihnen auch so gesagt hätte, wenn ich nicht mit dem Motiv des Zeit-Sparens zur Tür gegangen wäre.
Ja, deswegen habe ich schon ein kleines schlechtes Gewissen ;)

Absolut begeistert von meiner Argumentationsstärke standen sie da nun mit großen Augen und strahlenden Herzen und wünschten mir viel Glück, weil sie mich natürlich fragten, ob ich studiere. Das tue ich ja.
Und dann fragten sie natürlich auch wie und da war ich dann auch so ehrlich, hab gesagt, dass ich eben noch ein wenig höre ("aber nicht genug um Sie zu hören" tutmirleidtutmirleid xD), und darum frontal mit einer speziellen Anlage mitkomme und, dass ich eben den Monsteranteil meines Studiums mit meiner Nase in Büchern verbringe. Was ja auch absolut stimmt.
Ich war wirklich gerührt davon, dass die Beiden sich so viel Mühe gaben und war auch um ihre Geduld dankbar - weil zugegeben, so entspannt habe ich mich schon lange nicht mehr unterhalten, weil ich wirklcih 100% von dem, was mir gesagt worden ist auch wirklich gehörtverstanden und gelesenverstanden und abgelesenverstanden habe. Ich musste nicht die ganze Zeit raten, weil sie ohnehin ganz langsam gesprochen haben, oder eben geschrieben ;)
Ich habe meinem lieben Freund dieses Wochenende dann gesagt, dass sich viele eine Scheibe an dieser Mühe abschneiden können - vor Allem, als ich dann letzten Samstag einen Zettel im Briefkasten fand, auf dem stand, dass jetzt auch Treffen in Gebärdensprache umgesetzt werden würde, weil es überall Menschen mit Beeinträchtigung gibt. Natürlich wurde ich zu diesen Treffen eingeladen, ich war aber nicht anzutreffen, darum der Zettel.
Keine Sorge, ich gehe nicht hin - aber ich werde mich trotzdem darüber freuen dürfen, dass es einige gibt, die irgendwie etwas ändern wollen - egal, mit welchen Motiven jetzt! Das hat mich einfach nur gerührt und mein schlechtes Gewissen noch vergrößert - obwohl... für diejenigen, die überzeugte Zeugen Jehovas sind, aber immer aus der Gemeinschaft wegen ihren Ohren ausgeschlossen waren oder nur wenig mitbekommen haben, die haben einen Nutzen davon.
Tja, da frag ich mich dann direkt, ob ich etwas gutes getan hab?
Neeeein, ich werde an der Tür nie wieder tun, als ob ich nichts höre.


Obwohl... neulich, als jemand von Unitymedia klingelte, da hat es mir geholfen, er ist umgedreht und quasi weggerannt!
Und als Vodafone mir am Handy versuchte eine Flatrate ins deutsche Handynetz zu verkaufen, hat die liebe Person am anderen Ende auch nicht so richtig verstanden, was es bedeutet, dass man wenig hört "Wie bitte?", hab ich gesagt, "Eine Flatrate! Um ins deutsche...", - "Ich bin schwerhörig, ich kann kaum telefonieren" - "Sie müssen mir nur sagen, ob Sie eine Flatrate für das deutsche Handynetz haben wollen." - "Wiebitte?" - "Möchten Sie unbegrenzt ins deutsche Netz telefonieren von ihrem Handy aus?"
Zugegeben - das hat mir Spaß gemacht, diese arme Person ein wenig zu quälen.
Als sie dann später durchgedrungen ist, dass ich nicht gut höre, rief sie ins Telefon: "Und eine SMS-Flatrate?", hab ich nur gesagt: "Ich hab doch gesagt, dass für mich eine Flatrate totaler quatsch ist! Ich höre nichts, ich telefoniere mit meinem Handy nicht wirklich und wenn, dann ist das eine katastrophe. Ich schreibe emails mit meinem Handy, darum hab ich eine Datenflatrate, die mir völlig reicht!"
Mit einem etwas gequältn Ton hat man mir dann noch einen schönen Tag gewüscht.
Antwort von mir, mit einem diabolischen Lächeln:
"Wie bitte?"



P.S.
Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen, die ich damit schon mal geärgert habe ;)
P.P.S.
Es gibt liebe Freunde von mir, die mir mit einem "Wie bitte?" mit einem "Was?" antworten, worauf hin ich "Wie bitte?" wieder hole und ein "Was hast du gesagt?" zurückbekomme xD bis ich besagten Personen meistens in den Bauch knuffe und lache ^^

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